Ozeanographie und Wind

Die Errichtung eines Windparks auf See erfordert Kenntnisse der vor Ort zu erwartenden ozeanographischen und meteorologischen Verhältnisse. Ozean und Atmosphäre wechselwirken auf vielfältige Weise. So beeinflussen zum Beispiel starke Winde den Seegang und anders herum hat warmes Oberflächenwasser Auswirkungen auf die Zirkulation der darüber liegenden Luftschichten. Für einen Windpark bestimmen insbesondere die örtlichen Windverhältnisse den zu erwartenden Energieertrag, der mithilfe der einzelnen Windenergieanlagen erzielt werden kann. Dabei sind auch jahreszeitliche Schwankungen von Interesse. Informationen zu den üblichen Wetterverhältnissen helfen bei der Planung künftiger Bauarbeiten, da viele der Aktivitäten bestimmte Wettervoraussetzungen über gewisse Zeiträume erforderlich machen. Die Errichtung eines Windparks auf See führt darüber hinaus dazu, dass die einzelnen Anlagen in ständiger Wechselwirkung mit dem sie umgebenden Meereswasser bestehen. Daher sind unter anderem auch Erkenntnisse zu örtlichen Wasserständen, dem Seegang sowie den Strömungsverhältnissen erforderlich. Informationen über die durch die Gezeiten veränderlichen Wasserstände und die Häufigkeit bestimmter Wellenhöhen geben dem Vorhabenbetreiber wichtige Hinweise zur konstruktiven Ausgestaltung seiner Anlagenfundamente.

Erhebung von Messdaten

Zur Ermittlung der meteorologischen und ozeanographischen Verhältnisse müssen ausreichend Messdaten zur Verfügung stehen, um eine aussagekräftige Bewertung der untersuchten Fläche zu ermöglichen. Häufig sind hierbei auch Extremwerte – also die Minimal- beziehungsweise Maximalwerte bestimmter Messgrößen – von Interesse. An Flächen für die keine geeigneten Messdaten zur Verfügung stehen und die nicht in unmittelbarer Nähe zu einer Forschungsstation (FINO1-3) liegen, werden im Bedarfsfall Messkampagnen durchgeführt. Die Messkampagnen umfassen dann die im folgenden gelisteten meteorologischen beziehungsweise meeresphysikalischen Basisdaten. Um aussagefähige Ergebnisse auch in Abhängigkeit der jahreszeitlichen Einflüsse zu erzielen, sollen die Messkampagnen mindestens einen kompletten Jahreszyklus erfassen und müssen eine ausreichend gute Datenqualität hervorbringen.

Als meteorologische Basisdaten sind Zeitreihen und Statistiken der folgenden Messgrößen von besonderem Interesse:

  • Wind (Geschwindigkeiten und -richtungen),
  • Turbulenz (Luftverwirbelung),
  • Luftdichte.

Als ozeanographische Basisdaten sind Zeitreihen und Statistiken der folgenden Messgrößen von besonderem Interesse:

  • Wasserstand,
  • Seegang (Signifikante und maximale Wellenhöhe, Null-Durchgangsperiode, Spektrale Peak-Periode, Wellenlaufrichtung),
  • Strömung (Geschwindigkeiten und -richtungen insbesondere in Bodennähe, in der mittleren Wassersäule und in der oberen Wasserschicht),
  • Seewassercharakteristik (Dichte, Salzgehalt, Temperatur).

Statistische Auswertung von Modelldaten

Meteorologische Modelldaten

Zusätzliche meteorologische Informationen werden hoch aufgelösten Reanalysen der Atmosphäre entnommen. Diese liefern stündliche Windinformationen in mehreren Schichten im Nabenbereich der Windenergieanlagen. Die Daten der Reanalysen werden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) zur Verfügung gestellt.

Wie in verschiedenen Forschungsprojekten nachgewiesen wurde, wird durch bestehende Windparks das Windfeld im Lee – also der dem Wind abgewandten Seite – beeinflusst. Eine Abnahme der Windgeschwindigkeit sowie eine Zunahme der Turbulenz sind zu verzeichnen. Diese Effekte sollen beispielhaft mit einem mesoskaligen „open source“ Modell simuliert werden. Die berechnete klimatologische Änderung des Windfeldes im Umfeld des Windparks kann dann in bestehende Reanalysen der Atmosphäre eingesetzt werden.

Informationen über klimatologische Wetterfenster sollen mit bestehenden Modellen, die in Forschungsprojekten entwickelt wurden bereitgestellt werden. Gegebenenfalls werden aktuelle Reanalysen der Atmosphäre als Antrieb für diese Modelle verwendet.

Es ist bekannt, dass Windgeschwindigkeit und -richtung multidekadische Schwankungen aufweisen. Da es keine hinreichend langen, einheitlichen Messreihen des Windes gibt, soll für die Modelle auf den geostrophischen Wind zurückgegriffen werden, der eng mit dem „wahren Wind“ korreliert ist. Der geostrophische Wind wird mit Messungen des Luftdrucks berechnet, die seit etwa 100 Jahren zuverlässig durchgeführt werden.

Ozeanographische Modelldaten

Auch im Hinblick auf die ozeanographischen Verhältnisse liefern Modelldaten und deren statistische Auswertungen weiterführende Informationen über das betrachtete Gebiet. Bei den Modelldaten zur Extremwertanalyse werden rückblickend Ereignisse der letzten 70 Jahre betrachtet. Dieser sogenannte Hindcasts wird in den kommenden Jahren regelmäßig aktualisiert. Die Modelle werden zusätzlich für kürzere Zeiträume mit unterschiedlichen Eingangsdatensätzen bezüglich des „Forcings“ (Antrieb durch Winddaten) betrieben. Diese sogenannte Ensemble-Reanalyse ermöglicht eine hochwertige Fehlerabschätzung.

Die anzugebenen Extremwerte in einer Wiederkehrperiode von einem Jahr, 10 Jahren, 50 Jahren und 100 Jahren umfassen folgende Parameter:

  • Signifikante Wellenhöhe,
  • Maximale Wellenhöhe,
  • Peak-Wellenperiode,
  • Zero-crossing-Periode,
  • Positiver Gesamtwasserstand, negativer Gesamtwasserstand,
  • Maximale Gesamtoberflächenströmung.

Berichtserstellung

Bericht zu den Windverhältnissen

Der Umfang des Berichtes ist im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) nicht explizit vorgegeben. Er wurde unter anderem in der öffentlichen Anhörung am 28. Juni 2017 in Hamburg erörtert und lehnt sich an aktuelle Offshore-Standards an.

Die Ergebnisse der statistischen Auswertung der Mess- und Reanalysedaten werden in dem umfassenden Bericht über die Windverhältnisse am und im Planungsgebiet zusammengefasst. Während die in-situ-Messungen direkt in den Ausbaugebieten die bestmöglichen Daten darstellen, geben die Reanalysen eine räumliche Struktur des Windfeldes in der AWZ und erlauben einen Vergleich mit Referenzmessungen beispielsweise an den Forschungsstationen FINO1-3 sowie eine Einordnung des aktuellen Messjahres in die Langzeittrends.

Im Einzelnen fließen in den zusammenfassenden Bericht folgende Daten und Informationen ein:

  • zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Messungen in verschiedenen Niveaus im Nabenbereich der Windkraftanlagen,
  • Ensemble von regionalen Reanalysen der Atmosphäre,
  • Bereitstellung einer Methode und eines Modells zur Quantifizierung des Abschattungseffektes von Windparks,
  • klimatologische Informationen über Wetterfenster,
  • Informationen zu Langzeittrends von Windgeschwindigkeit und -richtung.

Bericht zu den ozeanographischen Verhältnissen

Der Umfang dieses Berichtes lehnt sich an die nach „Standard Konstruktion – Mindestanforderungen an die konstruktive Ausführung von Offshore-Bauwerken in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)“ des BSH zur Beantragung der 1. Freigabe einzureichenden Unterlagen hinsichtlich der Standortbedingungen an.

Die Ergebnisse der statistischen Auswertung der Modelldaten und deren Validierung durch in-situ-Daten werden in dem umfassenden Bericht über die ozeanographischen Verhältnisse am und im Planungsgebiet zusammengefasst. Zusätzlich werden die zur Erstellung verwendeten Mess- und Modellierungsmethoden beschrieben.

Im Einzelnen liefert der ozeanographische Bericht Grundlageninformationen zu:

  • Wasserstand,
  • Seegang,
  • Strömung,
  • Seewassercharakteristik (Dichte, Salzgehalt, Temperatur).