Meeresumwelt

Bei dem Ausbau der Windenergie auf See ist die Prüfung der Umweltverträglichkeit von besonderer Bedeutung. Zu den Schutzgütern, die zu betrachten sind, gehören in und auf dem Meeresboden lebende Tiere (Benthos), Fische, Zug- und Rastvögel, Meeressäugetiere sowie in der Ostsee die Fledermäuse. Um mögliche Auswirkungen auf die Meeresumwelt auf einer breiten Wissensbasis beurteilen zu können, werden diese Schutzgüter nach standardisierten Methoden untersucht.

Schutzgut: Benthos

Der Überbegriff „Benthos“ fasst sehr unterschiedliche Organismengruppen zusammen, die auf (Epifauna) oder im (Infauna) Meeresboden leben und sich vorwiegend über im Wasser treibende Larven verbreiten. Das Benthos umfasst so unterschiedliche Lebensformen wie Schwämme, Korallen, Muscheln, Schnecken, Würmer, Krebse und Seesterne umfassen. In der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee gelten mehr als 1.200 Arten als etabliert. Infolge dieser erstaunlichen Vielfalt an Formen, Funktionen und Lebensweisen existieren sehr unterschiedliche Gefährdungen. Viele Arten sind auf soliden Untergrund angewiesen, weswegen Helgoland und künstliche Hartstrukturen ein anderes Artenspektrum und oft auch eine höhere Artenvielfalt beherbergen.

Die Fundamente von Windenergieanlagen bieten ein geeignetes Substrat für Benthosorganismen, die auf festen Untergrund angewiesen sind. Bislang konnten zwar keine langfristigen, großräumigen Veränderungen der Benthosfauna infolge von Bau und Betrieb eines Windparks nachgewiesen werden. Allerdings haben Biomasse und Artenzahl des Aufwuchses auf den Gründungsstrukturen seit der Errichtung der Anlagen zugenommen. Dieser sogenannte Riffeffekt ist vermutlich auch Ursache für das erhöhte Aufkommen planktischer Larven unter anderem von Stachelhäutern an der strömungsabgewandten Seite zweier untersuchter Windparks. Da die Fischerei in Windparks weitgehend ausgeschlossen ist, entfällt zudem eine der wichtigsten Gefährdungen für benthische Organismen in diesen Gebieten.

Schutzgut: Fische

Als die artenreichste aller heute lebenden Wirbeltiergruppen sind Fische in marinen Ökosystemen als Räuber und Beute gleichermaßen bedeutsam. Wenngleich in Nord- und Ostsee bislang über 200 Fischarten nachgewiesen wurden, pflanzen sich weniger als die Hälfte davon regelmäßig in der deutschen AWZ fort oder werden als Larven, Jungtiere oder adulte Exemplare angetroffen. Nach diesen Kriterien gelten lediglich 94 Arten als etabliert. Die meisten Arten leben entweder überwiegend auf dem Meeresgrund (demersale Fische) oder im Freiwasser (pelagische Fische). Allerdings steigen demersale Fische durchaus auch in die Wassersäule auf und pelagische Fische halten sich zeitweise in Grundnähe auf. Bodenlebende Fische ernähren sich vorwiegend von in und auf dem Boden lebenden wirbellosen Tieren, während pelagische Fischarten fast ausschließlich Zooplankton fressen. Offshore-Windenergieanlagen können sich auf Fische positiv und negativ auswirken. Während der Bauphase kann sich die Fischdichte infolge von Bauaktivitäten vorübergehend verringern. Alle bisher vorliegenden Studien haben gezeigt, dass Benthosorganismen die Gründungen der Windkraftanlagen besiedeln. Diese Erhöhung der lokalen Biomasse und der Artenvielfalt kann zu einer Erweiterung des Nahrungsspektrums und der Nahrungsverfügbarkeit für einzelne Fischarten führen. Indirekt kann ein Windpark auf See auch positive Effekte für die marine Fischgemeinschaft haben, da innerhalb der Flächen die Fischerei weitgehend ausgeschlossen ist. Die Offshore-Windparkgebiete können so zu einem Rückzugsgebiet für Fische werden, sofern die entsprechenden Arten nicht durch Betriebsgeräusche abgeschreckt werden. Allerdings konnten diese Prognosen während des Betriebes bislang nicht bestätigt werden.

Schutzgut: Meeressäugetiere

In der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee ist der Schweinswal die einzige heimische Walart. Des Weiteren kommen im Küstenmeer und in der Nähe der Inseln Kegelrobben und Seehunde vor, die auf Nahrungssuche auch den Bereich der AWZ nutzen. Großer Tümmler, Weißseitendelfin und Zwergwal gehören zu den Arten, die gelegentlich den äußeren Bereich der deutschen AWZ in der Nordsee durchqueren.

Die Nordseepopulation der kleinsten europäischen Walart, des Schweinswals, wird aktuell auf 345.000 Tiere geschätzt. Schweinswale treten gehäuft nahe der Doggerbank, am Borkum Riffgrund und am Sylter Außenriff auf. Letzteres gilt als Hauptverbreitungsgebiet, in dem im Frühjahr und Sommer die Kälber geboren und aufgezogen werden. Die räumliche Verbreitung der Schweinswale wird vorwiegend durch die Verteilung ihrer Beute bestimmt, wozu Grundeln, Heringe und Sandaale zählen.

Schweinswale sind nach mehreren internationalen Schutzabkommen geschützt. Sie fallen unter den Schutzauftrag der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie), nach der spezielle Gebiete zum Schutz der Art ausgewiesen werden müssen. In Deutschland gilt der Schweinswal nach der Roten Liste Säugetiere als stark gefährdet (BINOT et al., 1998).

Kegelrobbe und Seehund sind ebenfalls im Rahmen der FFH-Richtlinie geschützt. Laut Roter Liste ist auch die Kegelrobbe stark gefährdet, der Seehund wird als gefährdet eingestuft. In der zentralen Ostsee lässt sich eine separate Subpopulation abgrenzen. Sie wurde in der internationalen Roten Liste als stark gefährdet eingestuft (Cetacean update of the 2008 IUCN Red List of Threatened Species).

Schutzgut: Zug- und Rastvögel

Kaum ein Naturphänomen wird so bestaunt wie der Vogelzug. Nord- und Ostsee dienen aber auch als Rast- und Aufwuchsgebiet für Arten, die an deutschen Küsten brüten. Einige nordische Brutvögel wie Seetaucher und Meeresenten überwintern in Nord- und Ostsee, wodurch Teile des deutschen Küstenmeeres und der AWZ international eine große Bedeutung besitzen. In der AWZ der deutschen Nordsee rasten regelmäßig und in größeren Beständen 19 Seevogelarten, in der Ostsee kommen mit 38 doppelt so viele Arten regelmäßig vor, darunter Alkenvögel, Möwen, Seeschwalben, Seetaucher und Gänse. In der Nordsee kommen Basstölpel und Eissturmvogel hinzu, beide Arten brüten auf Helgoland.

Die Deutsche Bucht liegt auf dem Zugweg zahlreicher Vogelarten. Auf Helgoland, einem wichtigen Trittstein, werden regelmäßig über 200 Arten nachgewiesen. Den größten Anteil stellen Singvögel (insbesondere Drosseln), deren Mehrzahl die Nordsee nachts überquert und die anhand ihres Zugrufes größtenteils bis zur Art bestimmt werden können. Der Heimzug in die Brutgebiete im Frühjahr vollzieht sich fast überwiegend von Südwest nach Nordost, der Wegzug in die Überwinterungsgebiete im Herbst erfolgt in die entgegengesetzte Richtung. Auch die Ostsee liegt auf dem Zugweg zahlreicher Vogelarten, 95% davon landlebende Kleinvögel. Da direkte und indirekte Effekte von Windenergieanlagen auf die Verteilung und Wanderbewegungen der Vögel nicht ausgeschlossen werden können, sind vielfältige Untersuchungen der Avifauna seit vielen Jahren zentraler Bestandteil der Prüfung der Umweltverträglichkeit von Offshore-Windparks.