Hydrodynamik

Die numerische (Kurzfrist-)Vorhersage hydrodynamischer Parameter beruht am BSH auf zwei Modellen. Zum einen auf dem dreidimensionalen Zirkulations- und Strömungsmodell basierend auf dem numerischen Modell HBM (HIROMB-BOOS-Modell), das zusammen mit europäischen Partnern entwickelt wurde. Zum anderen auf dem zweidimensionalen Wasserstands- und Staumodell basierend auf dem am BSH entwickelten numerischen Modell BSHsmod bzw. BSHcmod. Wichtigster und zugleich unverzichtbarer Antrieb beider Modelle ist eine meteorologische Vorhersage. Seit einigen Jahren werden zudem aktuelle Messdaten mittels Datenassimilation mit dem Modell zusammengebracht, um die Vorhersagen weiter zu verbessern.

Zirkulations- und Strömungsmodell

Modellgebiet Nord- und Ostsee Modellgebiet/Modelltopographie des Nord- und Ostseemodells. Links das gesamte Gebiet, rechts das Gebiet mit feinerer Auflösung – beide Gebiete sind voll dynamisch gekoppelt.

Das dreidimensionale Zirkulations- und Strömungsmodell bildet den Kern des Vorhersage-Modellsystems. Es wird auf mehreren interaktiv gekoppelten Gitternetzen gerechnet. In der Deutschen Bucht und der westlichen Ostsee beträgt der horizontale Gitterabstand etwa 0,9 km. Im übrigen Teil der Nord- und Ostsee beträgt er etwa 5 km. Im Bereich der Tide-Elbe wird zusätzlich ein sehr hoch aufgelöstes Modell mit einem horizontalen Gitterabstand von 90 m gerechnet. Dies ist notwendig, um die komplexen hydrographischen Prozesse in diesem Bereich besser simulieren zu können.

Die Wassersäule ist in eine Vielzahl von Schichten unterschiedlicher Dicke unterteilt. In der Nord- und Ostsee sind es 35, in der Deutschen Bucht und der westlichen Ostsee 25 und im Bereich der Tide-Elbe 7 Schichten.

Mit dem Modell wird auch das Trockenfallen und Überfluten von Wattflächen simuliert. Dadurch können Prozesse in den mannigfaltig gegliederten deutschen Küstengewässern (Wattflächen, Sände, Priele und Inselketten) und der Wasseraustausch mit der offenen See realitätsnah wiedergegeben werden. Zur Simulation der Temperatur werden neben dem Wasser auch der Meeresboden und das Meereis betrachtet, was vor allem in der winterlichen Ostsee eine große Rolle spielt.

Die vom Zirkulations- und Strömungsmodell für Nord- und Ostsee berechneten Vorhersagen werden derzeit viermal am Tag berechnet. Zu den zwei Hauptzeiten (ab 00 und 12 UTC) reicht die Vorhersage jeweils 120 Stunden und zu den zwei Nebenzeiten (ab 06 und 18 UTC) jeweils 78 Stunden in die Zukunft. Da Rechnungen für die Tide-Elbe aufgrund der hohen Auflösung sehr rechenintensiv sind, werden von der Tide-Elbe derzeit jeden Tag nur zwei 60-Stunden-Vorhersagen zu den Hauptzeiten erstellt.

Beobachtete und vom Modell vorhergesagte Wasserstände für die Pegel Kiel-Holtenau, Heiligenhafen und Flensburg Beobachtete (durchgezogene Linie) und vom Modell vorhergesagte Wasserstände (gestrichelte Linie) für die Ostseepegel Kiel-Holtenau (blau), Heiligenhafen(orange) und Flensburg (grau).

Die hier dargestellten Kurven zeigen Wasserstandsmessungen (durchgezogene Linie) und daran anschließend Vorhersagen (gestrichelte Linie). Bei dieser Grafik werden für verschiedene Orte an der Ostseeküste die Vorhersagen des Zirkulations- und Strömungsmodells des BSH dargestellt. Man erkennt die räumlichen Unterschiede des Wasserstandsverlaufs.

Wasserstands- und Staumodell

Darüber hinaus rechnet das BSH mit einem Wasserstands- und Staumodell für die Nordsee viermal täglich eine Vorhersage des Wasserstandes beziehungsweise des Windstaus.

Das Wasserstands- und Staumodell rechnet lediglich zweidimensional (d.h. mit nur einer Tiefenschicht) mit einem horizontalen Gitterabstand von durchgehend nur circa 5 km. Dadurch rechnet es sehr schnell, was insbesondere im Sturmflutfall von essentieller Bedeutung ist. Für Vorhersagezeiträume von bis zu 7 Tagen bilden die Ergebnisse eine wesentliche Basis für die Wasserstandsvorhersagen des BSH. Insbesondere stellen sie eine der Hauptinformationen für das MOS-System des Wasserstandsvorhersagedienstes der Nordsee dar.

Darstellung der berechneten astronomischen Gezeit, der Wasserstandsmessung und der Vorhersage aus Wasserstands- und Staumodell am Pegel Cuxhaven Die hier dargestellten Kurven zeigen die Berechnung der astronomischen Gezeit (grüne Linie), sowie Wasserstandsmessungen (rote Linie) und daran anschließend die auf MOS-Werten und damit auch auf den Ergebnissen des Wasserstands- und Staumodells basierende Vorhersage (lila Linie).

Meteorologische Antriebsdaten

Die zum atmosphärischen Antrieb des BSH-Modells benötigten meteorologischen Vorhersagedaten werden mehrmals täglich von den operationellen Atmosphärenmodellen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) berechnet und zum BSH übertragen. Neben Wind- und Luftdruckvorhersagen verwenden die BSH-Modelle zur Berechnung der Wärmeflüsse zwischen Luft und Wasser die Lufttemperatur, Bewölkung und spezifische Feuchte über dem Meer.

Um eine größtmögliche Ausfallsicherheit zu erreichen, werden die benötigten Daten sowohl an einen BSH-Rechner in Hamburg als auch einen BSH-Rechner in Rostock geliefert. Zusätzlich bezieht das BSH auch noch einen weiteren meteorologischen Vorhersagedatensatz vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF). Neben der erhöhten Ausfallsicherheit soll der Bezug mehrerer Datensätze es in Zukunft ermöglichen, eine Unsicherheits- bzw. Wahrscheinlichkeitsaussage zur Modellvorhersage hinzuzufügen.

Datenassimilation

Um die Qualität aller Vorhersagen zu erhöhen, wird daran gearbeitet eine Verbindung zwischen den Modellsimulationen und gemessenen Daten zu schaffen. Verfahren der Datenassimilation ermöglichen dabei die Modellsimulation optimal mit Messungen zu verknüpfen ohne die Dynamik des Modells zu stören.

Beispiel Datenassimilation Räumliche Verteilung der Wurzel des zentrierten quadratischen Fehlers (cRMSD, oben) und des mittleren Fehlers (unten) aus dem freien Lauf des Zirkulationsmodells (links) und des Laufs mit Datenassimilation der Meeresoberflächentemperatur (rechts) im Zeitraum von Juli 2019 bis Juni 2020

Seit Anfang 2021 werden am BSH bereits operationell Satellitendaten der Meeresoberflächentemperatur assimiliert. Aktuell wird an einer umfassenden Erweiterung des Assimilationssystems gearbeitet. Die Assimilation von Eisbeobachtungen soll die Vorhersage des Meereises der Ostsee verbessern und die Assimilation gemessener Salz- und Temperatur-Profilesoll zu einer besseren Schichtung im Modell führen.