Von 1862 bis in die 1870er Jahre war die zunächst unter dänischer, ab 1864 unter preußischer Flagge fahrende Lustyacht (auch Lustkutter) MARIE des Kieler Industriellen und Meereskundlers Heinrich Adolph Meyer zur Untersuchung der Ökologie im Einsatz auf der Kieler Förde und in der Kieler Bucht. Sie gilt als das erste in Kiel beheimatete Forschungsfahrzeug.
Von 1877 bis 1913 stellte der Mediziner und Zoologe Johannes Müller, Begründer der Plankton-Forschung und des ersten modernen Forschungsinstituts, den unter der Flagge des Deutschen Reiches fahrenden Forschungsdampfer JOHANNES MÜLLER Gastforschern seiner Zoologischen Station in Venedig für biologische Arbeiten und Exkursionen im Golf von Neapel zur Verfügung.
Die erste und zweite deutsche Nordpolar-Expedition von Carl Koldewey 1868 mit der kleinen Segelyacht GRÖNLAND und 1869 mit der GERMANIA erweiterten die physikalischen und geologischen Kenntnisse der Gewässer westlich von Spitzbergen erheblich. Ein weiteres Ergebnis war die Kartierung eines bis dahin unbekannten Teils der grönländischen Ostküste.
1872 markiert den Beginn der Forschungsschifffahrt
1872 gilt als der Beginn der regelmäßigen institutionalisierten Forschungsschifffahrt. Auf Betreiben von Leutnant Matthew Fontaine Maury, Leiter des US-amerikanischen Depot of Charts, einigten sich 1853 auf einer internationalen Konferenz in Brüssel die seefahrenden Staaten, regelmäßig einheitliche ozeanographisch-meteorologische Beobachtungen durch die Kapitäne und Offiziere sammeln und anschließend in nationalen Zentralstellen zum Nutzen der Schifffahrt auswerten zu lassen. In Deutschland übernahm diese Aufgabe 1868 die neu gegründete Norddeutsche Seewarte, aus der das BSH hervorging.
Durch die Beobachtungen der Meeresoberflächen entstanden Fragen nach der darunterliegenden Wassersäule und dem Meeresgrund. Beantwortet werden konnten solche Fragen nur von Schiffen, die für Untersuchungen der Wassersäule oder des Meeresgrundes aufstoppen konnten. Diese Aufgabe konnte von den unter Zeitdruck stehenden Handelsschiffen nicht übernommen werden.
1872 lief das Expeditionsschiff CHALLENGER zu ihrer Expeditionsreise durch nahezu alle Weltmeere aus. An Bord hatte das Schiff neben Wissenschaftlern auch technische Geräte und Labore für meereschemische, -biologische und ozeanographische Messungen und klar definierte wissenschaftliche Aufträge. Über eine Strecke von rund 70.000 Seemeilen entnahm die Besatzung Wasserproben und untersuchte den Meeresboden und die Fauna. Die Wissenschaftler gewannen auf dieser Reise wichtige Erkenntnisse über die Geologie des Meeresbodens und seine Bewohner. Die Ergebnisse gelten heute als der Beginn der Meereskunde.
Einen Durchbruch in der wissenschaftlichen Forschung mit und auf Schiffen markierte 1912 die Erfindung des Echolots. Die Schiffe konnten den Meeresboden unter Einsatz dieser Technologie, die Alexander Behm in Deutschland entwickelt und patentiert hat, akustisch vermessen. Charakteristisch für diese Phase waren weltweite Einzelreisen speziell ausgerüsteter Schiffe. Zu den beteiligten deutschen Schiffen zählten GAZELLE, NATIONAL, VALDIVIA (I), GAUSS (I), PLANET (I), MÖWE und DEUTSCHLAND.
Beginn systematischer Untersuchung der Meere
1925 gilt als Beginn der zweiten Phase der institutionalisierten Forschungsschifffahrt. In diesem Jahr startet das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Seewarte gemeinsam bereederte Forschungsschiff METEOR (I) die Deutsche Atlantische Expedition. Auf dieser Expedition untersuchten Wissenschaftler erstmals systematisch die Natur einzelner Meeresabschnitte. Die Wissenschaftler erhoben zwischen 1925 und 1927 physikalische und chemische Parameter des Atlantischen Ozeans südlich von 30° Nord bis zur Antarktis auf breitenparallelen Schnitten. Schon 1920 nutzte die METEOR während der Deutschen METEOR Expedition als erstes Schiff ein Echolot, um den Atlantik systematisch zu vermessen.
Internationale Forschungsschiffe im gemeinsamen Einsatz
In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts begann eine neue Ära mariner wissenschaftlicher Forschung, die dritte Phase der Forschungsschifffahrt, die bis heute anhält – die Phase international koordinierter Forschungsfahrten. 1938 führten der deutsche Frachtdampfer ALTAIR und das norwegische Schiff ARMAUER HANSEN im Rahmen der Internationalen Golfstrom-Expedition miteinander abgestimmte Vermessungen durch. Für die Ergebnisse der Expedition griffen sie auch auf Daten der deutschen METEOR (I), der dänischen DANA und des französischen Schiffes CARIMAE zu. Für die Zeiten des Dritten Reiches war dies ungewöhnlich, denn maritime Forschung richtete sich an nationalen militärischen Fragestellungen wie der Verbreitung von Unterwasserschall und der Untersuchung von Wellen und Strömungen aus.
Eine international übergreifende Zusammenarbeit verschiedener Forschungsschiffe leitete in den 1950er Jahren ein Umdenken ein. Im Internationalen Geophysikalischen Jahr vom 1. Juli 1957 bis zum 31. Dezember 1958, dem ersten internationalen Großprojekt der Bundesrepublik Deutschland, erfassten und dokumentierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf 60 Schiffen aus 40 Nationen die Naturverhältnisse über und in den Weltmeeren. Das Internationale Geophysikalische Jahr, das das DHI geleitet und organisiert hat, gilt als Beginn der internationalen Zusammenarbeit mit einer gemeinsamen koordinierten Planung und Implementierung - sowohl der Forschungsfahrten als auch der ozeanographischen Forschung.
1961 stellte der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy die Erforschung der Meere der Erforschung des Weltraumes als nationale Aufgabe gleich. „Das Wissen über die Ozeane ist mehr als nur eine Frage der bloßen Neugierde. Unser Überleben könnte davon abhängen“ formulierte er die Zielsetzung des Aufbaus der Meeresforschung. Damit startete ein Boom des Ausbaus von Forschungsschiffen und Tauchbooten. Der französische Meeresforscher Jacques Cousteau meinte 1963, „dass unterseeische Städte und bevölkerte Riffe auf dem Kontinentalschelf zukünftig so normal sein werden, wie es in den vergangenen Jahren Ölplattformen waren.“
2021, 60 Jahre nach dem Aufruf Kennedys, startete die Internationale Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die weltweit auf die Bedeutung der Meere aufmerksam macht.
In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts baute das Land seine Flotte der Forschungsschiffe stark aus. Daraus resultierte der Bau der METEOR (II), der WALTER HERWIG und der PLANET (II) in der Bundesrepublik Deutschland, in der DDR die Indienststellung der ERNST HAECKEL und der EISBÄR. Der steigende Bedarf an Erdöl und anderen Rohstoffen und die zunehmenden Kenntnisse des Meeresgrundes führten zu einem weiteren Ausbau der Forschungsflotte in Deutschland.
Bis 1989 gab es in der Bundesrepublik Deutschland zwölf Forschungsschiffe, von denen neun zu Wirtschaftsunternehmen gehörten. Die DDR-Flotte bestand aus fünf Forschungsschiffen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Flotte der Forschungsschiffe reduziert.
Die Forschungsschiffe der deutschen zentralen maritimen Institution
Die Norddeutsche Seewarte und ihre Nachfolgerin, die Deutsche Seewarte, verfügten in der ersten Phase der meereskundlichen Forschung über keine eigenen Schiffe. Sie erhielten zunächst die Daten und Informationen von den Handelsschiffen und den Schiffen der Marine. Fanden Forschungsfahrten statt, waren die Wissenschaftler der maritimen Einrichtung sowohl an der Programmentwicklung als auch an der Expedition selber beteiligt. Erst ab 1926 setzte die Deutsche Seewarte Tonnenleger für eigene Mess- und Erprobungsfahrten ein. Mit der GAUSS (II) erhielt die Deutsche Seewarte 1941 ihr erstes eigenes Schiff.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die deutschen Forschungsschiffe sehr schnell wieder zum Einsatz. Sie hatten nahezu unbeschädigt den Weltkrieg überstanden und wurden entweder an frühere Eigner zurückgegeben oder von den Alliierten eingesetzt. Diese veranlassten die Fortsetzung des Minenräumdienstes ebenso wie die Vermessung und die Wracksuche.
Zunächst gehörten zu den Schiffen des DHI, das 1945 unter Aufsicht der vier Mächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich seine Arbeit aufnahm, die BÖRGEN, die GAUSS (II), die METEOR (II) und die PAUL BENEKE, die bereits 1947 wieder auf Forschungsfahrt ging. Vermessungsschiffe, die das DHI zunächst ebenfalls übernommen hatte, gab es unter anderem an das Institut für Meereskunde in Kiel und die Biologische Anstalt Helgoland ab, damit die biologische Forschung in Nord- und Ostsee schnell wiederaufgenommen werden konnte.
Heute verfügt Deutschland über eine sehr leistungsfähige Flotte von Forschungsschiffen. Sie sind wissenschaftliche Plattformen, die Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung in allen maritimen Disziplinen und in allen Ozeanen ermöglichen.