In den letzten Jahren wurde bekannt, dass die ehemalige UdSSR ab etwa 1959
große Mengen an radioaktiven Abfällen in flüssiger und fester
Form in der Kara- und Barentssee versenkt hat. Hierzu gehörten
Behälter und Container mit schwach radioaktiven Abfällen, aber
auch ganze Atomreaktoren, teilweise mit dem dazugehörigen Kernbrennstoff.
Die Versenkung erfolgte in Widerspruch zu den internationalen Regeln,
insbesondere was die Art des Abfalls, den Abstand zur Küste und die
Versenkungstiefe betrifft. So wurden beispielsweise abgewrackte und
beschädigte atomgetriebene U-Boote in Nähe der Küste von Novaya
Semlya in weniger als 50 m Wassertiefe versenkt.
Internationale Arbeitsgruppen insbesondere im Rahmen der IAEO und des Arctic
Monitoring and Assessment Programme (AMAP) unternahmen zahlreiche Untersuchungen
der betroffenen Gebiete und führten auch mithilfe von Modellrechnungen
Bewertungen der zuküftigen Situation durch. Der vorliegende Bericht
stellt damit einen deutschen Beitrag für diese internationale Bewertung
dar.
Im Rahmen des Vorhabens wurden zahlreiche Proben aus arktischen Meeresgebieten
auf Radioaktivität untersucht. Hierbei eingeschlossen waren auch Sediment-
und Wasserproben aus der Karasee und Proben in der Umgebung des am 7. April
1989 gesunkenen Atom-U-Bootes Komsomolets südwestlich der Bäreninsel
in der Norwegensee. Mithilfe von numerischen Modellen in lokaler, regionaler
und globaler Skala wurde die mögliche Verdriftung freigesetzter Radionuklide
aus den Abfallbehältern simuliert.
Die experimentellen Untersuchungen zeigten, dass ein Großteil der
nachweisbaren künstlichen Radionuklide entweder aus dem globalen Fallout
der oberirdischen Kernwaffentests der 50er und 60er Jahre oder aus den
früheren hohen Ableitungen der europäischen Wiederaufbereitungsanlagen
überwiegend aus Sellafield (Großbritannien) stammen. Eine
großräumige Kontamination infolge der Freisetzung aus den
Abfällen war nicht nachzuweisen. Auch in der Umgebung der Komsomolets
konnte keine außergwöhnliche Belastung des Wassers oder der Sediments
durch Spalt-, Aktivierungsprodukte nachgewiesen werden. In die Untersuchungen
sind auch Plutoniumisotope und andere Transurane eingeschlossen.
Ausbreitungsrechnungen mit den inzwischen bekannten Inventaren unter der
Annahme verschiedener Szenarien lassen aber auch in Zukunft keine hohe
Kontamination der Meeresgebiete erwarten. Unter der Annahme selbst
ungünstigster Freisetzungen innerhalb kurzer Zeit führen die
Simulationsergebnisse im Bereich des europäischen Nordmeeres zu
Konzentrationen, die unterhalb der bereits jetzt bestehenden Konzentrationen
liegen, die größtenteils durch die Anlage Sellafield hervorgerufen
wurden. An den Versenkungsorten in den Buchten der Insel Novaya Semlya
können erheblich höhere Konzentrationen erwartet werden.
Der Transport von an Sediment adsorbierten Radionukliden mit dem Meereis
führt zwar zu einem schnellen Transport innerhalb weniger Jahre in die
Framstraße, insgesamt spielt die hierdurch transportierte
Gesamtaktivität aber geringere Rolle gegenüber dem Transport durch
das Wasser.
Die Ergebnisse des Vorhabens lassen den Schluss zu, dass durch die versenkten
Abfälle außerhalb der Karasee keine Schäden für die
Umwelt oder den Menschen zu erwarten sind.
Einleitung
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